Datum: 16. September 2009
Ort: Kuppelhalle, Leipziger Volkzeitung (LVZ), Peterssteinweg 19, 04107 LEIPZIG

Programm

Podiumsdiskussion "Viele Vereine - Viel Gewalt?"

Initiative für gewaltfreien Fußball

Nach der Präsentation der Ergebnisse einer Studie der IDIS zum Thema Gewaltbereitschaft wird in einer Podiumsdiskussion erörtert, ob die in Leipzig hinlänglich bekannte Problematik durch das Engagement von Redbull noch verstärkt wird. Diese Frage ist deshalb von besonderer Brisanz, weil die Abschaffung der 50+1 Regelung auf der Agenda von DFB und DFL stehen. Sollte diese Beschränkung tatsächlich fallen, ist der Weg für „Großinvestoren“ auch in anderen Regionen Sachsens und der gesamten Bundesrepublik offen. Insofern können wir in Leipzig derzeit gleichsam eine Pilotentwicklung verfolgen, die richtungsweisend für den zukünftigen kommerziellen Fußball ist. Ob diese Entwicklung – neben anderen Faktoren – zu einer Verschärfung der Gewaltproblematik führt und wie hierauf angemessen reagiert werden kann – diese und andere Fragen werden im Rahmen der Podiumsdiskussion erörtert.

Ein „Im Rahmen der Podiumsdiskussion „Viele Vereine – Viel Gewalt?“ stellte das Institut für Deutsches und Internationales Sportrecht (IDIS) am 16.September die ersten Ergebnisse einer Studie zum Thema „Entwicklung von Gewaltbereitschaft bei jugendlichen Fußballfans“ vor.

Dr. Rico Kauerhof (IDIS) präsentiert die Ergebnisse der Studie in der Kuppelhalle der LVZ.

Ein „gewaltiges Interesse“ zeigte sich früh am Eingang.

Nachdem bereits im Rahmen des 1. Leipziger Sportrechtstages im Jahre 2007 über mögliche Ursachen der Gewaltbereitschaft von jugendlichen Fußballfans diskutiert wurde, widmete sich IDIS im vergangenen Jahr intensiv diesem Problem. Neben zahlreichen praktischen Aktivitäten – wie Workshops und Vorträge (u.a. in Jugendhäusern) sowie einer Fanfahrt zum „Filmfest 11mm“ nach Berlin – war die Studie der zentrale Punkt. Die Besonderheit dieser Untersuchung liegt darin, dass ca. 400 (noch) gewaltunauffällige Schüler im Alter von 12 bis 19 Jahren befragt wurden, um in dieser Gruppe Bedingungen zu finden, unter denen die Jugendlichen eine Gewaltgeneigtheit entwickeln könnten, die sie im Umfelds des Sports ausleben.

Zu den zentralen Ergebnissen der Studie gehören, dass fehlende Ressourcen der Freizeitgestaltung sowie die Arbeitslosigkeit der Eltern nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Wichtigstes messbares Kriterium hingegen war die „erhöhte Regelresistenz“ von Jugendlichen. Die Gruppe, die sich durch Normvorgaben (etwa in der Schule) besonders stark eingeschränkt fühlt, ist signifikant gewaltbereiter als die Vergleichsgruppe, der die Regelanerkennung wesentlich leichter fällt. Allerdings war die Studie nicht darauf angelegt zu klären, ob hier tatsächlich ein Ursachenzusammenhang besteht und woher die verminderte Regelansprechbarkeit  kommt. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf, wobei sich die Beantwortung dieser Fragen sicherlich in den schwierigen Gesamtkomplex der Erforschung der Jugendgewalt einreihen muss.

90 Zuhörer verfolgten die Präsentation der Studienergebnisse.

Neben der (wichtigen) Prävention darf jedoch die zweite Schiene der Gewaltbekämpfung – die Repression – nicht vernachlässigt werden. Hier gilt es zunächst, die Mittel des Strafrechts auszuschöpfen. In diesem Zusammenhang sollte jedoch nicht vergessen werden, dass das Strafrecht als „ultima ratio“ lediglich die rechtlichen Grenzen der Gesamtgesellschaft absichert und insofern nur eine beschränkte Wirkung entfalten kann. Dies zumal die Strafverfolgung in der Hand des Staates liegt und damit von den handelnden Akteuren (Verbände und  Vereine) abgekoppelt ist. Im Hinblick darauf sind weitere wirksame Repressionsmittel zu untersuchen, auf die insbesondere die Vereine aktiv einwirken können. Hier schlägt IDIS – neben den Stadionverboten – vor, die Möglichkeit der zivilrechtlichen Verfolgung von Störern – welche durch die Rechtsprechung immer mehr abgesichert wird – konsequenter und systematischer auszuschöpfen. Ein diesbezügliches Pilotprojekt wird noch dieses Jahr gestartet.

Dr. Rico Kauerhof (IDIS)

Im Anschluss daran wurden diese Ergebnisse des IDIS-Projekts sowie aktuelle Entwicklungen im Leipziger Fußball in einer Podiumsdiskussion erörtert. Im Zentrum stand die Frage nach der Zukunft des „Fußballstandortes Ostdeutschland“, wobei im Hinblick auf das Engagement von RedBull die Leipziger Fußballlandschaft im Vordergrund stand.

Podium: (v.l.) Peter Langer (SMI), Prof. Dr. Wolfgang Schild (Universität Bielefeld), Ricardo Schulz (Sprecher Staatsanwaltschaft Leipzig), Winfried Wächter (Ressortleiter Sport LVZ, Moderation), Olaf Marschall, (ehem. Fußballprofi), Günther Diermann (ehem. Aufsichtsratsmitglied von Schalke 04)
Dr. Sven Nagel (IDIS) leitete durch die Veranstaltung.
Besonders warmherzig wurde der ehemalige Leipziger Fußballspieler Olaf Marschall empfangen.
Wortmeldungen zum Abschluss der Veranstaltung

Das Medieninteresse an diesem Thema war groß und beweist die Wichtigkeit und Notwendigkeit solcher Projekte.

Dr. Rico Kauerhof (IDIS) fasst die Ergebnisse für die Fernsehzuschauer des mdr zusammen.
Nach der Podiumsdiskussion: Polizeidirektor Uwe Kilz und Mirko Zebisch (IDIS) im Zwiegespräch.
Mit seiner praktischen Erfahrung als Fußballprofi war Olaf Marschall, der 1978 bis1990 in Leipzig spielte, ein begehrter Interviewpartner.